Wanderruderfahrt auf der Lahn

Gleich am Anfang wurden Maßstäbe gesetzt Im Schlossgarten zu Weilburg hoch über der Lahn trafen sich am Freitagnachmittag wie zufällig die ersten der insgesamt zwanzig Teilnehmer.

Man hätte sie für gewöhnliche Touristen halten können, die da zielsicher das Schlosscafé ansteuerten. Der Standard des ortsansässigen Dienstleistungsgewerbes hinsichtlich Serviceorientierung und Inneneinrichtung ließen Sorgen über den Zustand des guten, alten Westens aufkommen. Es war weitaus besorgniserregender als in den „neuen“ Bundesländer im Osten – aber dies wäre eine ganz andere Geschichte, die an dieser Stelle nicht vertieft werden soll. Ohne politisieren zu wollen, sei nur noch erwähnt, dass auf der Speisekarte tatsächlich stand: „Auf der Terrasse werden nur Kännchen serviert“. Wir verköstigten uns also mit Kaffee aus Kännchen, leckerem Federweißen oder einfach nur Apfelschorle (dem gern kommentierten und belächelten Lieblingsgetränk des Verfassers). Der weit verbreiteten Unsitte, Fahrtenberichte durch ausführlichste Beschreibungen der Nahrungsmittelaufnahme zu verunstalten, sei hiermit nur ansatzweise, aber abschließend genüge getan.


Kaum hatte ein Blick über die Burgmauer hinunter zur Lahn verraten, dass der Bootstransport soeben eingetroffen war, ging es schon pflichtbewusst und eiligen Schrittes in Richtung Ruderverein. Die vermeintlichen Touristen zückten ihre wie selbstverständlich in den Jackentaschen versteckt bereit gehaltenen Riggerschlüssel und outeten sich damit als versierte Rudersportler. Emsig ging es ans Werk, bestes und neustes Bootsmaterial des Kölner Rudervereins von 1877 startklar zu machen. Für einige sollte es die erste Wanderruderfahrt werden, die sie mit Kohlefaser-Bigblades absolvieren würden. Die Zeiten ändern sich eben. Mit diesen Booten und Skulls wurden vom Kölner RV Maßstäbe gesetzt, die bei künftigen Fahrten schwer zu halten sein werden. Der Nutzen guter und bester Regenbekleidung Die erste Nacht verbrachten wir in dem Hotel direkt zwischen dem Weilburger Schiffstunnel und dem Eisenbahntunnel. Am nächsten Morgen wussten einige genaustens über die Fahrzeiten der nächtlichen Züge bescheid. Das Wetter zeigte sich beständig: es war bereits beim Frühstücken klar, dass es den ganzen Tag regnen würde. Dieser Umstand forderte den/die modebewusste/n Queerschlag-Ruderer/Ruderin kräftig heraus. Zwei Kernfragen galt es zu klären: Erstens, was ziehe ich an, um nicht innerhalb der ersten zehn Minuten völlig durchnässt zu werden? Zweitens, wie erreiche ich Ersteres modisch up-to-date und farblich durchgestylt? Nun, diese Fragen wurden ganz unterschiedlich beantwortet.

André Köppen trat in Gummistiefeln an – die sind zeitlos schön und nicht so sehr der Mode unterworfen. Alexander Kupfer und andere lösten das Problem nasser Füße in durchweichten Turnschuhen mit Mülltüten über den Socken. Nur Ingo Kölsch fand die perfekte Lösung, nämlich mit trockenen Socken in die Mülltüten zu schlüpfen, darüber zum Kaschieren ein weiteres Paar Socken zu ziehen und erst damit in seine knallroten Schuhe zu steigen. Das Durchfahren des Weilburger Schiffstunnels, gefährlicher Stromschnellen (zumindest laut Wanderruderführer) sowie zahlreicher Schleusen forderte den Ruderern hohes Können, den Steuerleuten enormes Geschick und dem Landdienst großes technisches Verständnis ab. Schließlich waren die Schleusen, ja selbst eine Doppelschleuse (!), im Handbetrieb selbstständig zu betätigen. Nein, es gibt kein Computerprogramm, welches auf Knopfdruck die einzelnen Schieber und Tore in der richtigen Reihenfolge öffnet und schließt. Ein großes Lob muss hier allen Steuerleuten, Paddelhakenverantwortlichen und Landdiensthabenden ausgesprochen werden.


Die Anforderungen wurden mit Bravour gemeistert. Die Lahn ist ein wunderschöner Fluss, in einem meist recht engen Tal umsäumt von herrlich bewaldeten Hügeln dahin fließend. Mit nur kleinen Straßen und einer Bahnstrecke parallel, die ab und an im Tunnel verschwindet, hat man das Tal immer wieder für sich allein. Besonders romantisch und erwähnenswert ist die Stadt Runkel, deren bemooste Steinbrücken und die Burg aus dem 12. Jahrhundert. All dies und noch viel mehr ist Dank der sehr gelungenen Fotos von Jens Steckel dokumentiert und für jedermann hier zu sehen. Am Ende der ersten Ruderetappe kam der Limburger Dom in Sicht. Das Wetter hielt, was es am Morgen versprochen hatte. Der Regen blieb uns mit kurzen Unterbrechungen ganztägig erhalten, und es war bewiesen: auch die beste Regenkleidung kann nicht verhindern, dass man von innen und/oder außen klatschnass wird. Der Blick der Wirtin vom Hotel Frankfurter Hof in Limburg ist schwer zu beschreiben. Sie schien jedenfalls alles andere als begeistert über uns, die durchnässt in ihr Hotel einfielen.

Überhaupt schienen sie Gäste etwas zu stören. In Limburg war dann je nach Vorliebe Shopping oder Sight-Seeing angesagt. Alle trafen sich wieder zum gemütlichen Abendessen. Spätestens am Ende des ersten Rudertages war allen klar, dass unser Fahrtenleiter diese Fahrt hervorragend gut organisiert hatte. Vielen herzlichen Dank an unseren Hans-Jürgen Keens. Blaskapelle, Sonnenschein und Kirmes Am zweiten Rudertag zeigte sich das Wetter freundlicher, die Schleusen hatten Service (ab Limburg gibt es Schleusenwärter) und eine flößende Blaskapelle versorgte uns mit zünftigen Kölner und Berliner Weisen. Das waren Lieder, die sich keiner freiwillig anhören würde, aber alle lauthals mitsangen. 


Im Verlauf des Tages fuhren wir mehrmals aneinander vorbei, in Balduinstein drehte das Floß sogar eine Ehrenrunde vor unserem Pausenplatz, was unsererseits zu Schunkelorgien führte. Die Trefferquote richtiger Töne wurde bei steigendem Alkoholspiegel der Musikanten merklich geringer. Als sie am Abend ein letztes Mal an uns vorbei fuhren, waren so was wie Weihnachtslieder zu hören. Die Endstation unserer zweiten Tagesetappe hieß Laurenburg, ein beschaulicher, in einem engen Talabschnitt gelegener Ort mit 370 Einwohnern, Funkloch für Mobiltelefone und zwei Gasthäusern. Wir legten am Hotel Lahntal an, der Wirt stand uns sofort hilfsbereit und gastfreundlich zur Seite und wir waren rundum zufrieden. Sogar die Sonne hatten wir an diesem schönen Herbsttag reichlich zu sehen bekommen, so dass einige Gesichter am Abend glühten. Spannende Abendunterhaltung versprach der Hinweis, dass just heute Kirmes sei, wo man doch unbedingt vorbeischauen solle. Am Ufer der Lahn hat Laurenburg die wohl längste Lichterkette der Welt installiert, mehrere hundert Meter immer abwechselnd eine gelbe, grüne, rote und blaue Glühbirne, was wirklich schön aussieht. An zwei Tagen im Jahr hat Laurenburg richtig was zu bieten, heute war einer dieser Tage. Nach dem vorzüglichen Abendessen machten wir uns auf den Weg zur Kirmes. Jeder mochte sich unter dieser Kirmes etwas anderes vorgestellt haben, sicher aber nicht diese ziemlich dröge Feier, mit diesen allem Anschein nach sehr speziellen Leuten, an die wir da im Nachbargasthaus gerieten. Das war ja wohl eine Zumutung für die durch das urbane Leben in einer Metropole verwöhnten Großstädter.


Um 23:00 Uhr drehte der Wirt die Musik ab, weil er Ruhe für seine Übernachtungsgäste wollte – ein an sich edles Motiv, was jedoch zu Ausschreitungen und Unmutsbekundungen seitens der einheimischen Kirmesbesucher führte. Man hätte sicher über die weitere Eskalation am nächsten Tag in der Bild-Zeitung lesen können, wenn sich nicht Ruppert Höss als Eventmanager betätigt und alle kurzerhand in unser beschauliches Hotel Lahntal eingeladen hätte. Soweit so gut, aber wer konnte ahnen, dass diese Einladung auch angenommen würde. Kurze Zeit später sah sich der Lahntal-Wirt vor dem Problem, mal eben spontan die ganze Kirmesgesellschaft in seinem Etablissement bewirten zu müssen. Dies bedeutete, dass er vor drei Uhr morgens nicht mehr vom Zapfhahn wegkam. Rupert hatte ihm also das Geschäft seines Lebens vermittelt. Die weiblichen Dorfschönheiten halfen beim Bedienen oder starteten erfolglose Flirtversuche mit uns Queerschlägern. Anne Zimmermann sorgte binnen Minuten für unser Gruppenouting und Andreas Trummer amüsierte sich beim Walzertanzen. Kurzum, die Stimmung war super, ja auch die Großstädter amüsierten sich wie Bolle – und ein eigenes schwules Pärchen hatte Laurenburg ebenfalls zu bieten, welches dort glücklich verpartnert wohnt bis an sein Lebensende. Wer hätte das gedacht? Tag der deutschen Einheit mit Regenbogenfahne Die dritte und letzte Ruderetappe absolvierten wir feierlich am 3. Oktober. Dem Anlass angemessen führten wir sowieso an alle Tagen ordnungsgemäße Beflaggung an den vier Booten, natürlich die Regenbogenfahne. Das mondäne Bad Ems war das Ziel dieses Tages und wir ließen es uns nicht nehmen, eine Runde um die Fontäne zu rudern, ehe wir am Ruderverein anlegten. Alles war heil geblieben, keinerlei Bootsschäden waren zu beklagen, so konnten die Boote besten Gewissens abgeriggert und verladen werden. Danach trennten sich dann leider unsere Wege, Tobias Palm übernahm wieder den Bootstransport und alle außer Michael Jordans, Ruppert Höss und Hans-Jürgen Keens, die noch ein Stückchen auf dem Rhein rudern wollten, traten den Heimweg an. Nach Berlin war es zwar weit, jedoch wider Erwarten erfreulich unbeschwerlich, da staufrei. Todmüde, aber glücklich über eine schöne Rudertour fielen alle wohlbehalten und gar nicht allzu spät zu Hause in ihre Betten.


Zu guter Letzt ein Wort des Verfassers in eigener Sache. Ich möchte ein großes Dankeschön los werden an alle Friedrichshagener, Grünauer und Kölner für die schöne Fahrt und dafür, dass ihr die Beiden vom Ruderklub am Wannsee Berlin mal wieder mitgenommen habt.

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