12. Geburtstag Queerschlag - Wernigerode Schierke

Höhentraining im Harz (auch bekannt als Queerschlag-Geburtstag)


 Am Abend des 5. Februar 2010, nach langer Fahrt durch die dunkle, öde Magdeburger Börde, trafen 19 Männer und 1 Frau im lange geplanten Höhentrainingslager von Queerschlag ein. Die Mannschaft versammelte sich pünktlich um 19:45 Uhr im Hof des Sporthotels „Apart“ in Wernigerode, manche Mannschaftsmitglieder bereits gezeichnet vom stundenlangen Krafttraining hinter dem Lenkrad. Nachdem uns Übungsleiter Jens mit einem dreifachen „Sport frei“ begrüßt und durchgezählt hatte, ging es im Dauerlauf zum 25 km entfernten Sportrestaurant „Fritz“, wo vorgeblich leckere Speisen auf die ausgehungerten Sportlerkörper warteten. Um möglichem trainingshemmendem Übergewicht vorzubeugen, waren die Portionen allerdings sehr klein gehalten oder so unschmackhaft gekocht, dass niemand einen Nachschlag verlangte. Eventuell noch fehlende Kalorien wurden in Form von Schwarzbier, Pilsener oder Wein aufgestockt. In Erwartung eines harten Trainingstages lagen dann alle Campteilnehmer zeitig in den Betten (wer in welchem, konnte allerdings nicht konkret recherchiert werden).

Nach morgendlichem individuellem Frühsport in den großzügig bemessenen Appartements trafen wir uns in Kleingruppen mit mehr oder weniger zugequollenen Augen am Frühstücksbuffet. (Den Herren, die angesichts des laufenden Radioprogramms von „MDR 1“ spitze Bemerkungen über spießige ostige Kleinstädte gemacht haben, sei an dieser Stelle gesagt, dass man genau diese Herren - in der „korrekten“ Location und mit ausreichend alkoholischen Getränken versorgt - nach genau DIESER Musik in wilder Ekstase tanzen sieht.) Nach dem üblichen Ermitteln der vollzähligen Gruppenstärke ging es in lockerem Trab quer durch die Stadt zum Bahnhof. Inmitten von skihosentragenden Normaltouristen bestiegen wir die berühmte Brockenbahn und dampften (ohne Rücksicht auf Klimaveränderungen) durch den schneebedeckten Wald Richtung Schierke. Die motiviertesten Gruppenteilnehmer verbrachten die Fahrt auf den kalten zugigen Außenplattformen, um Lunge und Herz für die anstehenden Belastungen zu trainieren. Dass auch alle Nichtraucher bei der Fahrt durch den Tunnel dabei ihre Jahresdosis an Rauchgasen einatmeten, muss als Kollateralschaden gewertet werden.


Nach der Ankunft in Schierke ging es im Dauerlauf kurzzeitig eine gewalzte Skipiste hinauf, bevor sich die Gruppe unter lauten Kommandos des Trainingsleiters querfeldein in den Tiefschnee des Mittelharzes begab. Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 12 km/h gab Chef Jens an der Spitze das Training vor – ohne Rücksicht auf Verluste. Die von manchen Teilnehmer nachträglich vorgetragene Reklamation, man hätte sich bei diesem Mördertempo gar nicht an der Aussicht erfreuen können, kann nur zurückgewiesen werden – es handelte sich ja schließlich um ein Trainingslager, nicht um eine Geburtstagsfahrt. Als wir wieder festes Terrain unter den Sohlen hatten, waren bei vielen nicht korrekt bekleideten Sportskameraden kniehoch durchgeweichte Jeans zu bewundern. Wie sich weiterhin herausstellte, trägt „man“ unter Jeans beim Wandern im eiskalten Tiefschnee keinesfalls lange Unterhosen – die sind unsexy und könnten sich bei spontanen sexuellen Begegnungen mitten im Harzwald als peinlich herausstellen.


Nach einem immer müder werdenden Fußmarsch, der auch durch laute Anfeuerungsrufe des Trainingsleiters nicht beschleunigt werden konnte, kehrte die Gruppe geschlossen beim Brockenbäcker Freystein ein, um den fleißigen Bäckereifachverkäuferinnen sowohl den Tagesumsatz zu sichern als auch einen Nervenzusammenbruch zu bescheren. Die einzige mitreisende Sportskameradin wählte herzhafte Brocken-Würste zum Verzehr aus, während sich sämtliche männlichen Sportskameraden im Verzehr möglichst süßer, bunter und riesiger Sahnecremetorten übten. (Den Verkäuferinnen war sicherlich nicht ganz klar, dass es sich hierbei nicht um verdrehte Normalität, sondern absolut korrekte schwul-lesbische Rollenklischees handelte)

 Nach der Rückfahrt mit der Brockenbahn (von den meisten Teilnehmern schlaff in den Sitzen hängend verbracht) hatten dann alle für 3 Stunden die Möglichkeit, in den ortsansässigen Fitnessstudios ihre Kondition weiter zu verbessern; wie später zu hören war, nutzte aber schändlicher Weise kein Teammitglied diese Chance. Es geht sogar das Gerücht, dass es in den Zimmern zu Schlaforgien gekommen sein soll. Am Abend ging es wieder im frischen Dauerlauf in die Sportgaststätte „Fritz“, die wir mangels Alternativen (bzw. angesichts der Faulheit bei der Suche danach) erneut aufsuchten. Das dargebotene Sportbuffet war diesmal etwas schmackhafter, leider bedienten sich einige Gruppenmitglieder mehrfach und verlangten sogar Nachschub. Ebenso wurde im Verlauf des späteren Abends von einigen Unverbesserlichen harter Alkohol in Form von Schierker Feuerstein konsumiert. Aus diesem Grund gab der Trainingsleiter die unmissverständliche Parole aus, am nächsten Morgen Punkt 9:30 Uhr zur Brockenbesteigung aufzubrechen. Pünktlich. Ohne Verspätung.

 Am Sonntag erfolgte dann die mühsame Auscheck-Prozedur im Hotel, wobei festzustellen war, dass hier am Rande des Harzes die Welt noch in Ordnung ist: Die abreisenden Herren erhielten als Giveaway einen 2-m-Zollstock, die abreisende Dame hingegen ein Fläschchen Apfelsaft. Dass Hans-Jürgen sowohl den Zollstock als auch den Apfelsaft erhielt, illustriert vermutlich die Verwirrung des Gastvaters über händchenhaltende oder gar küssende Männer. Selbstverständlich wurde mithilfe der Zollstöcke (korrekt: Gliedermaßstäbe) im männlichen Gruppenteil sofort über die wirklich wichtigen Dinge des schwulen Lebens philosophiert. Nach einer konditionsarmen Anreise per Auto und dem aufopferungsvollen Kampf gegen die Normaltouristen um die wenigen Parkplätze ging es zügigen Schrittes hinein in den Wald. Nur bruchstückhaft erinnert sich die Verfasserin an den blauen Himmel, die verschneiten Bäume und die Waldesstille, da Trainingsleiter Jens an der Spitze das Tempo vorgab (schließlich mussten ja die Torten von gestern abgearbeitet werden). Die Gruppe erreichte in der neuen Rekordzeit von 1:45 h den Gipfel des Brockens, legte dabei 6,5 km zurück und überwand 500 Höhenmeter. Pausen wurden nicht geduldet, ganz dem Charakter des Höhentrainingslagers entsprechend. Kurz vor der Unterzuckerung stürmten wir das urgemütliche und stimmungsvolle Selbstbedienungsrestaurant des Brockenwirtes zur Aufnahme von Energydrinks und Proteinshakes, während der Trainingsleiter bereits auf der Suche nach den besten Schneemotiven war.


Zwischenzeitlich kam es zu einer unglaublichen Meuterei, als sich der Großteil der Gruppe dem gemeinschaftlichen Abstieg um 15:30 Uhr verweigerte und eigenmächtig einen früheren Termin in Betracht zog. Dieser Fall wird sicherlich noch vor dem Internationalen Sportgerichtshof verhandelt werden. Nach der Inszenierung des üblichen Gruppenfotos auf dem Gipfelstein (von Andreas und Xavier komplett und träumend verpasst) hatte jeder Teilnehmer Gelegenheit, die müden Muskeln in einem Workout wieder flott zu kriegen. Allerdings sonnte sich die Köln/FRV-Fraktion lieber faul im Windschatten des Brockenturmes. Auch die angeblich ach so eisenbahnversessenen Sportskameraden Andreas und Thomas fachsimpelten lieber stundenlang über die Möglichkeiten, diverse Körperteile in den elektrisch beheizten Weichen der Brockenbahn unterzubringen.


Ebenso scheiterte der Versuch diverser Gruppenteilnehmer, sich durch eine Aufnahme der Brockencam im Internet unsterblich zu machen, am komplett falschen Timing. Und so fanden wir uns (frisch durchgezählt) kurz nach 14 Uhr wieder auf dem Rückweg nach Schierke, selbstverständlich im lockeren Dauerlauf. Die gewählte Abkürzung erwies sich allerdings als männerstürzendes Ungeheuer, besonders Sportkamerad Kai war aufgrund der Beschaffenheit seiner Schuhsohlen schwer betroffen. Hobbyfilmer Thomas gelang die Liveaufnahme seines eigenen Sturzes inklusive eines markerschütternden Schreies, den wir hoffentlich bald auf Youtube bewundern dürfen. 7,5 km und ca. 43 Stürze später erreichten wir erneut die Bäckerei Freystein, wo wir dem fast ausverkauften Kuchenbuffet den Garaus machten. Dass bei unserem Eintreffen die Toiletten der Bäckerei als „defekt“ gekennzeichnet wurden, lässt Rückschlüsse auf den Eindruck zu, den unsere Gruppe am Tag vorher dort gemacht haben muss. Über die möglicherweise dort stattgefundenen Samstags-Orgien wird noch recherchiert.


Mit müden Beinen, aber hochzufrieden, turnschuhfit und bereit für die Herausforderungen des kommenden Rudersommers, fuhren dann 19 Männer und 1 Frau in insgesamt 7 Autos zurück Richtung Berlin bzw. Köln. Unser besonderer Dank gilt unserem wandelnden Navigationsgerät, Hoffotographen und Trainingsleiter Jens, der uns dieses unvergessliche Wochenende organisiert hat.